Ansprache zum Neujahrsempfang (21.01.2024)
Liebe Erzhäuserinnen, liebe Erzhäuser,
Liebe Ehrengäste,
liebe Erzhäuserinnen und Erzhäuser,
liebe Freunde der Gemeinde Erzhausen,
Herzlich willkommen zu einem Neujahrsempfang in herausfordernden Zeiten.
Wir haben durch die Entwicklungen in der Welt, innenpolitisch, finanziell und auch gesellschaftlich herausfordernde Zeiten. Und in diesen Zeiten gilt es, einen klaren Kompass zu haben die Orientierung zu behalten. Und es ist wichtig zusammenzuhalten, sich nicht auseinander dividieren zu lassen, sondern füreinander da zu sein.
Vor drei Jahren war alles für den Neujahrsempfang vorbereitet, doch er musste wegen Corona ausfallen. Corona war damals das größte Problem: Im gesundheitlichen Bereich, für die Unternehmen und die Arbeitnehmer wirtschaftlich, und ganz besonders im sozialen Gefüge - von den Familien über die Vereine bis in die breite Gesellschaft. Die Auswirkungen von Corona merken wir in allen drei Bereichen bis heute.
Vor zwei Jahren überfiel Russland die Ukraine. Erzhausen ist durch seine Partnerstadt Ivanychi besonders involviert und betroffen. Ich möchte dem Partnerschaftsverein, dem Verein Vergiss-mein-nicht und der Freiwilligen Feuerwehr so wie allen Unterstützern ganz besonders danken für ihr unverändert anhaltendes Engagement, um in großem Umfang Hilfe für unsere ukrainischen Freunde zu leisten.
Und seit Oktober 2023 sehen wir mit großer Sorge auf die Entwicklung im Nahen Osten. Sowohl das Massaker als auch die unmenschlichen Zustände im Gaza-Steifen offenbaren die Unfähigkeit und wohl auch den fehlenden gemeinsamen Willen der internationalen Gemeinschaft, ein solches Leid zu verhindern.
Was können wir tun? In unserem unmittelbaren Umfeld können wir in sofern Einfluss nehmen als wir persönlich alle Menschen, die hier unter uns leben, sei es dauerhaft oder als Gäste, freundlich, offen und mit Respekt behandeln und Leuten, die hier Unfrieden schüren wollen, aktiv entgegentreten. Die meisten von uns können auf die Krisenherde im Ausland keinen wirksamen Einfluss nehmen. Aber auf unser unmittelbares Umfeld können wir durch unser Verhalten einwirken und Frieden, Respekt, Freundlichkeit, und Achtsamkeit für die Menschen jeden Tag in vielen einzelnen Situationen vermitteln.
Auch hier bei uns sind die Zeiten schwieriger geworden.
Wir bereiten uns wieder auf Krisensituationen vor, seit wir vor einem Jahr damit konfrontiert wurden, dass das Gas zum Heizen knapp werden könnte und seit wir mit Störungen der Strom- und IT-Infrastruktur rechnen müssen. Erzhausen hat im vergangenen Jahr hierzu einige Anschaffungen getätigt, und weitere sind für dieses Jahr budgetiert.
Die aktuelle Weltlage und die bundespolitische Situation machen es allen schwer zu planen oder zu investieren. Wer einen Betrieb hat, leidet aktuell unter den steigenden Betriebskosten, dem Fachkräftemangel, kaputten Lieferketten und der fehlenden Planungssicherheit. Und Familien, die bauen wollen, geht es nicht anders.
Diese Situation betrifft die Gemeinde Erzhausen natürlich auch mit ihrem Baugebiet „Die vier Morgen“. In der Kalkulation sind Risikopuffer eingebaut. Aber an diese Häufung von Krisenherden in der Welt hat niemand gedacht. Dennoch weist die letzte Kalkulation der HLG noch einen Überschuss aus. Dass wir die Geschosswohnungsbauten noch nicht vergeben haben, ist für die Entwicklung des Wohngebietes eher positiv. Denn wenn wir jetzt mitten im Bau einen Baustopp hätten, vielleicht einen insolventen Bauherrn, wären wir in einer schwierigeren Situation, als wenn wir im aktuellen wirtschaftlichen Umfeld eine angepasste realistische Planung und Umsetzung bekommen.
Der Gemeinde Erzhausen geht es finanziell nicht anders als den eben zitierten Wirtschaftsunternehmen. Höhere Energiekosten und starke Lohnerhöhungen durch die letzten Tarifabschlüsse sowie die stark gestiegenen Umlagekosten an den Landkreis und an alle Verbände, die Leistungen für die Gemeinde erbringen, führen zu einem erheblichen Anstieg der Aufwendungen der Gemeinde. Auf der Einnahmenseite entwickelt sich die Einkommensteuer nicht in gleichem Maße wie die Tariferhöhungen, die Gewerbesteuer sinkt. Wir haben aktuell sehr herausfordernde Haushaltsberatungen.
Die Gemeindeverwaltung und der Gemeindevorstand sind in den vergangenen Monaten in mehreren intensiven Sitzungen die Einnahmen- und Ausgabenposten kleinteilig durchgegangen, um insbesondere die Ausgabenseite auf das Nötigste zusammenzustreichen. Ich möchte mich beim Gemeindevorstand an dieser Stelle für die sehr gut vorbereiteten und konstruktiven Beratungen bedanken.
Vom ersten Vorschlag bis zum eingebrachten Haushalt konnte das Defizit so um ein Drittel gekürzt werden. Wir hätten bei den freiwilligen Leistungen noch tiefer schneiden können. Aber das hätte die Vereine, die Bücherei, das Bürgerhaus, die Grillhütte und die Jugendarbeit getroffen. Statt Kürzungen enthält unser Vorschlag zu den freiwilligen Leistungen Mehreinnahmen durch Gebührenerhöhungen bei der Nutzung der öffentlichen Gebäude. Der ordentliche Haushalt weist jetzt bei einem Gesamtvolumen von ca. 20 Millionen Euro ein Defizit von 866.000 Euro aus, welches durch die Inanspruchnahme der Rücklagen ausgeglichen werden kann. Eine Grundsteuererhöhung ist in dieser Planung für die Jahre 2024 und 2025 nicht vorgesehen, final entscheidet darüber aber die Gemeindevertretung.
Da diese Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben sich aber weiter öffnet, sind bei unveränderten Rahmenbedingungen spätestens ab 2026 Maßnahmen zur weiteren Steigerung der Einnahmen unumgänglich.
Nicht nur Erzhausen sondern alle Kommunen sehen aktuell die Ausgaben massiv steigen. Die Kollegen im Landkreis haben teilweise hohe Grundsteuererhöhungen in ihren Haushaltsplänen, ich kenne trotzdem nicht eine Kommune, die einen positiven Ergebnishaushalt hat. Alle gehen an ihre mehr oder weniger vorhandenen Rücklagen.
Ich schaue da auch unsere Ministerin und den Landtagsabgeordneten an. Gerade im sozialen Bereich sind der Landkreis und, über die Kreisumlage, die Kommunen von immensen Kostensteigerungen betroffen und müssen zudem mit ihrem Personalbestand steigende Fallzahlen bearbeiten, ohne dass dies finanziell in ausreichendem Maß seitens des Landes oder des Bundes abgefedert wird. Das ist nicht nur finanziell ein Problem, sondern bringt auch die Mitarbeitenden an ihre Leistungsgrenzen. Die kommunale Familie braucht für diese vermehrten Aufgaben, die sie stemmen soll, dringend Entlastung.
Auch zur gesellschaftlichen Entwicklung möchte ich ein paar Worte sagen.
Erzhausen ist eine Gemeinde mit einem sehr großen gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Vereine und die ehrenamtlich aktiven Bürgerinnen und Bürger unterstützen sich gegenseitig in besonderem Maße.
Trotzdem hatten wir bei der Landtagswahl in einigen Wahllokalen über 20 % AfD-Wählerinnen und Wähler. Es sind in vielen Fällen, jedenfalls soweit mir Personen bekannt sind, bürgerliche Personen, keine Rechtsextremen und keine Feinde der Demokratie. Auch unter den Jugendlichen, die noch nicht wählen dürfen, entsteht eine Dynamik, die vielen die AfD als attraktiv erscheinen lässt. Die AfD kommt bei ihnen mit einfachen Botschaften an. Wenn man mit den Jugendlichen spricht und fragt, wer soll das umsetzen? Wie soll das geschehen? Wie schnell, glaubst Du, ist das realisierbar? Kommen sie zum Nachdenken, sind aber noch nicht überzeugt.
Meine Erkenntnis aus diesen Gesprächen ist: Wir müssen besser, klar, kurz und einfach verständlich und unwiderlegbar deutlich machen, warum die AfD nicht wählbar ist. Der Frust über die aktuelle Politik, über den Einfluss auf die eigene wirtschaftliche Lage und die fehlende Perspektive, dass sich das zum Bessren wendet, führt zu dem Wunsch, eine Änderung zu bekommen. „Alles ist besser als was im Moment gerade läuft.“ Und das ist falsch! Das ist zu kurz gedacht. Wer so denkt, macht sich nicht die Mühe zu überlegen, was danach kommt. Die meisten von uns haben das Leben in einem autoritären System nicht erlebt. Sie kennen die Reisefreiheit, die freie Berufswahl, wählen ihren Wohnsitz, schicken ihre Kinder auf die Schulen ihrer Wahl und sagen oder schreiben, was sie gerade denken. Im Kampf für diese Freiheiten waren Menschen bereit zu sterben. Auch hier in Deutschland. Wir alle sollten alles tun, um diese freiheitlich demokratische Grundordnung zu erhalten und zu stärken. Wir alle sind aufgerufen, für ein soziales demokratisches Deutschland und für eine freie Gesellschaft einzutreten. Auch ich schließe mich den Worten an: „Nie wieder ist jetzt!“
Zum Schluss noch ein Kurzüberblick über drei wesentliche Vorhaben in Erzhausen.
Was passiert mit dem Wohngebiet Die vier Morgen, werden Sie sich fragen. Herr Kessler hat im Erzhäuser Anzeiger über den Normenkontrollantrag berichtet. Der Normenkontrollantrag wurde uns kurz vor Weihnachten zugestellt. Wir sind mit unserem Anwalt dabei, die Erwiderung zu formulieren. Wir sind zuversichtlich, dass mit der Expertise des Landes Hessen und unserem Kooperationspartner HLG ein ordnungsgemäßes Verfahren stattgefunden hat und die Normenkontrollklage keinen Erfolg hat. Die Normenkontrollklage hat keine aufschiebende Wirkung. Das Unternehmen, das im Moment die Erschließung für uns macht, hat dafür Zeit bis Ende des Jahres 2024. Aktuell ist die Planung der Freianlagen, d.h. der zentralen Grünfläche, in der Beratung in den Ausschüssen. Das Planungsbüro hatte im letzten Jahr den Vorschlag gemacht, die Freianlagen mit Zisternen auszustatten. Diese können zur Bewässerung genutzt werden, wenn wegen Wassermangel kein Grundwasser entnommen werden darf. Sie können vor Starkregen auch entleert werden und so zusätzlich als Puffer dienen. Eine attraktive zeitgemäße Planung.
Mit der Hessischen Landgesellschaft werden wir in Kürze einen Termin haben, um die Zeitschiene für die Vermarktung der Grundstücke und die weiteren Schritte zu erörtern.
Die Kita Hainpfad hatte einen dreimonatigen Baustopp, weil ein Auftragnehmer wegen innerbetrieblicher Schwierigkeiten seines Subunternehmers die Dachkonstruktion nicht liefern konnte. Dort geht es aber jetzt weiter, und die weiteren Auftragnehmer stehen parat, um ihre Gewerke terminlich einzupassen. Wir sind bis auf diese Verzögerung weiterhin gut aufgestellt, und es geht voran. Ich bin sehr froh, dass unser örtliches Büro Braun und Resler dieses Vorhaben sehr professionell geplant hat und nun koordiniert.
Lutz Köhler, der gleich die Ehrenbriefe überreichen wird, hat der Rektorin der Lessingschule Frau Kerstin Zorn und mir in der vergangenen Woche eine gute Nachricht überbracht. Wir hatten eine ausführliche Präsentation über die Möglichkeiten des Ausbaus der Lessingschule. Der Druck ist immens, denn die Schule ist mit den aktuellen Schülerzahlen trotz der Container räumlich am Limit. Bereits im letzten Quartal 2023 hat der Kreistag 9,2 Mio. Euro Mittel für die Lessingschule neu eingeplant. Am letzten Donnerstag konnten wir dann erfahren, dass der Bau zweier Gebäude auf dem Schulgelände geplant wird. Eines für die Mensa und eines für mehrere neue Klassenzimmer. Sie werden in Modulbauweise errichtet, was eine Bauzeit von ca. 7 Monaten bedeutet. Die Bauten könnten zum Beginn des Schuljahres 2026/2027 fertig werden, wenn der Haushalt 2024 des Landkreises einigermaßen zeitnah verabschiedet wird. Damit ist aber auch unser Vorschlag eines Neubaus in der Südlichen Goethestraße vom Tisch. Die Erweiterung wird am Standort in der Lessingstraße erfolgen.
Ein Schmankerl habe ich noch: Ganz besonders freue ich mich über eine Initiative, die seit Freitag und noch bis morgen hier in Erzhausen läuft. Die drei Hochschulen für Städtebau bzw. Stadtgestaltung, die h.da aus Darmstadt, die Frankfurt University of Applied Sciences und die Hochschule Mainz, haben Erzhausen ausgewählt für das Projekt Rhein-Main-Density. Sie erarbeiten derzeit die Frage der „dreifachen“ Dichte aus unterschiedlichen Perspektiven und nehmen die studentischen Projekte als Grundlage für einen Diskussionsabend morgen um 18 Uhr im Bürgerhaus. Es geht dabei um Innenverdichtung, um die Entwicklung der Grünflächen und um Geschäfte, Gaststätten, soziale Räume. Sie haben sich unter anderem die Seestraße und die Annastraße bis zur Bahnstraße ausgewählt und auch die Betrachtung des Hessenplatzes ans Herz gelegt bekommen. Für die Veranstaltung morgen Abend, die durch den Großen Frankfurter Bogen gefördert wird, wurden Experten aus jeder Fachrichtung eingeladen, die mit kurzen Referaten in das Thema einführen werden. Es sollen sich bereits Vertreter aus mehreren anderen Kommunen angemeldet haben. Ich freue mich sehr auf die Veranstaltung und auch darauf, dass Erzhausen sich diesem Kreis mit seinem schönen Bürgerhaus als Gastgeber präsentieren kann.
Bevor ich jetzt an Lutz Köhler übergebe, möchte ich danken.
Ich danke Sonja Möller und Inga Tebart für die routinierte und zuverlässige Vorbereitung dieses Neujahrsempfangs. Und ich danke der Familie Donlic und dem Bürgerhausteam für die sehr gute Abstimmung und die Ausrichtung dieses Empfangs.
Den Gemeindevertretern und dem Gemeindevorstand danke ich für die konstruktive Zusammenarbeit im vergangenen Jahr. Es hat sich eine ganze Menge bewegt, und es war wichtig, die Beschlüsse rechtzeitig für die Vergabe der Aufträge zu haben. Das hat durch alle Gremien durch sehr gut funktioniert. Vielen Dank an den Ersten Beigeordneten Dr. Andreas Heidenreich, für die gute Zusammenarbeit und seine kompetente Vertretung.
Und Ihnen, all denen, die in einem oder häufig mehreren Ehrenämtern ihren großen Beitrag zu dieser besonderen Gemeinschaft in Erzhausen leisten, danke ich von ganzem Herzen für Ihren Einsatz. Sie setzen sich für die Werte einer freien demokratischen Gesellschaft in ganz besonderem Maße ein. Sie machen Erzhausen lebenswert, attraktiv und bunt. Durch Sie gibt es Basare, sportliche Veranstaltungen, Kultur und schöne Feste. Durch Sie wird für Menschen gesorgt, die sich in bestimmten Lebenslagen nicht selbst helfen können, durch Sie geschieht Inklusion, Integration und Gemeinschaft. Sie sind das Rückgrat unserer Gesellschaft. Herzlichen Dank dafür!
Claudia Lange
Bürgermeisterin