Die Bürgermeisterin zu „AMTIX-kurz“
AMTIX-kurz heißt eine Flugroute, die von Flugzeugen geflogen werden kann, die am Frankfurter Flughafen auf der sogenannten „Stadtbahn West“ Richtung Süden abfliegen und dann östliche Ziele ansteuern. Etwa zwei Drittel aller am Frankfurter Flughafen startenden Flugzeuge fliegen über AMTIX nach Süden oder über AMTIX-kurz nach Südosten, so dass der Verlauf dieser Route für die Region im Süden von Frankfurt erhebliche Bedeutung hat. Die Route AMTIX-kurz verläuft aktuell über Gräfenhausen und am südlichen Rand von Wixhausen entlang, weiter über Arheilgen und Kranichstein.
In den Jahren 2018 und 2019 fand ein aufwändiges Konsultationsverfahren statt, an dem auch Erzhausen teilnahm. Es ging um die Verlagerung der Route AMTIX-kurz nach Norden, um die Stadtgebiete Arheilgen und Kranichstein zu entlasten. Leidtragende waren vor allem Erzhausen und der Norden von Wixhausen. Beide Kommunen wehrten sich heftig gegen die Verlagerung, aber sie kam doch. Ende 2020 und Anfang 2021 steuerten die Flugzeuge von Büttelborn aufsteigend auf Erzhausen zu, verursachten einen massiv höheren Lärm als auf der alten Route und bogen hinter Erzhausen wieder auf die alte Route ein. Der Spuk dauerte zum Glück nicht lange, denn nach drei Monaten stellte die Deutsche Flugsicherung fest, dass der letzte Bogen von vielen Piloten nicht sauber geflogen wurde und dadurch Sicherheitsrisiken wegen des Anflugkorridors östlich von Messel entstanden. Die Route musste mit sofortiger Wirkung wieder eingestellt werden.
Erzhausen und Wixhausen hatten im Vorfeld des Beschlusses eine inhaltlich sehr fundierte Präsentation vorbereitet. Diese hielt ich in der entscheidenden Sitzung der Fluglärmkommission und übergab die vorbereiteten Kopien dem Vorstand und den Mitgliedern, da man zu diesem Termin nicht erlaubte, die Präsentation elektronisch zu zeigen. In dieser wurde ausdrücklich auf Sicherheitsrisiken und die Sorge der Erzhäuser hingewiesen. Schließlich sind wir durch die Erfahrungen mit diversen Flugunfällen im Zusammenhang mit dem Flugplatz Egelsbach diesbezüglich besonders sensibel. Weitere Kritikpunkte waren, dass für die Berechnung der Entlasteten und neu Belasteten der gesetzlich nicht relevante Fluglärmindex 2.0 und nicht die Parameter nach Fluglärmschutzgesetz verwendet worden waren. Außerdem hatten das Forum Flughafen und Region und die Fluglärmkommission bereits im Konsultationsverfahren die Lösungshorizonte des Steigflugverfahrens und der alternierenden Routen mit Lärmpausen für die Neubelasteten ausgeklammert. Unseres Erachtens gab es diverse Verfahrensfehler, die wir in einem Rechtsstreit aufgegriffen hätten. Zum Glück war das nicht nötig, denn seit Februar 2021 wird wieder die alte Route geflogen.
Allerdings ließen sowohl das Forum Flughafen und Region als auch die Fluglärmkommission, ohne dieses Thema auf der Tagesordnung zu haben, immer wieder durchblicken, dass man noch intensiv an der Umsetzung dieser Flugroutenverschiebung nach Norden arbeitet. Es war viel Geld in das Verfahren geflossen, und die Erwartungen in Darmstadt waren groß. Sehr aufmerksam verfolgten wir darum jede Sitzung und hörten auf die Zwischentöne. In einer der Sitzungen wurde sogar davon gesprochen, im August 2023 ein erneutes Konsultationsverfahren zu beginnen. Auf meine Frage, wie ich mir die Durchführung vorstellen muss, hieß es, das wäre dann ganz kurz, denn man hätte ja im früheren Konsultationsverfahren ausführlich alle Punkte beraten.
Nun waren wir gewarnt, denn im Zusammenhang mit der Einführung des „Segmented Approach“ über Heusenstamm hatten wir gesehen, dass man auf die Einbindung der Verantwortlichen in der Kommune oder auf die Bevölkerung wenig Rücksicht nimmt. Der damalige Bürgermeister hatte von der Kenntnis und dem Beschluss bis zur Umsetzung gerade einmal drei Wochen zur Information seiner Stadt. An der anschließenden Klage der betroffenen Gemeinden gegen die Einführung dieses Probebetriebes hatte Erzhausen sich beteiligt. Dies geschah einerseits um sich solidarisch zu zeigen, denn Erzhausen war von dieser Veränderung nicht durch mehr Lärm betroffen. Allerdings war diese völlig übereilte Einführung ohne Rücksicht auf die Betroffenen aus unserer Sicht falsch, und auch Erzhausen hat ein derartiges Vorgehen zu befürchten. Außerdem bekamen wir durch die Beteiligung wertvolle Informationen, die im Fall eines erneuten Beschlusses zur Verlagerung von AMTIX-kurz Richtung Norden in einem dann zu führenden Rechtsstreit helfen können. Das Verwaltungsgericht hat der Klage der Kommunen im Fall des „Segmented Approach“ allerdings leider nicht stattgegeben.
Zurück zu AMTIX-kurz: Im Frühjahr 2023 saßen wir, Klaus Süllow, Marc Ollier aus Wixhausen und ich, zusammen und formulierten einen Antrag an die Fluglärmkommission mit dem Inhalt, uns in einer der nächsten Sitzungen den Stand zur Verlagerung von AMTIX-kurz mitzuteilen. Insbesondere wollten wir den Stand der PBN-Abweichungen und damit ICAO-Ausnahmen vom Standard-Abflugverfahren wissen: Für die Routenplaner besteht die Herausforderung, dass die Route AMTIX-kurz neu nicht vereinbar ist mit den Anforderungen, die eine EU-Verordnung aus 2018 an Abflugrouten stellt. Diese sollen einem festgelegten Standard entsprechen. Die Planer prüfen aktuell und bereits seit längerer Zeit, welche Argumente greifen, um hier eine Ausnahme zu machen. Wir wollten mit unserem Antrag eine Erläuterung haben, wie man diese Ausnahme begründet und wie der Stand ist. Gleichzeitig wollten wir wissen, ob dieses Mal auch andere Startverfahren, insbesondere Steilstartverfahren, in den Planungshorizont mit aufgenommen werden.
Die Fluglärmkommission hat unseren Antrag am 11.10.2023 behandelt. An diesem Tag hatte die Fluglärmkommission noch keine Route vorzustellen, von der sie mit der notwendigen Sicherheit sagen konnte, dass sie zur Abstimmung gestellt werden wird. Vielmehr wurde mitgeteilt, dass voraussichtlich im ersten Quartal 2024 ein neuer Vorschlag präsentiert werden könne. Falls diese Route dann auch beschlossen wird, würde eine Umsetzung frühestens 2025 erfolgen. Die Frage, ob sich denn am Anflugsektor östlich von Messel etwas ändern würde, der wegen des Sicherheitsrisikos zu einer Beendigung des Probebetriebes 2021 geführt hatte, wurde verneint. Die Herausforderung, dass die Flugzeuge nach dem Bogen nach Norden rechtzeitig wieder zurückdrehen und den anfliegenden Flugzeugen nicht zu nah kommen, bleibt damit wohl bestehen. Im Ergebnis können wir keine Entwarnung geben, aber ob eine Routenverlegung realisiert werden kann, ist auch noch nicht sicher. Wir sind sehr gespannt und werden das weitere Vorgehen aufmerksam und zum Handeln bereit verfolgen.